Leseempfehlung für Bartender (und Eltern): GENERATION WODKA - Wie sich unser Nachwuchs mit Alkohol die Zukunft vernebelt.
Ich habe den lebenswertesten Beruf der Welt. Ich bin Bartender. Wirt. Schankkellner.
Das was den Beruf für mich so großartig macht, hat im Grunde genommen sehr wenig mit dem Verkauf von Alkohol zu tun. Ich verkaufe Atmosphäre, Zwischenmenschliches, Kultur,, Lifestyle, Nachtleben, Begehrlichkeit, und vieles mehr. Aber ebbend auch: Alkohol. Und wenn wir Ihn schon verkaufen, sollten wir wissen wir wir Ihn anständig servieren. Eine Bar ohne Alkohol ist für mich keine Bar. Und ich liebe die Bar. Die alkoholische Bar. Aber, ich weiss damit umzugehen.
Wenn ich arbeite, trinke ich in der Regel nicht, oder sehr mässig. Andererseits bin ich kein Kind von Traurigkeit, wenn es einen Anlass dafür gibt. Feste Feiern - da sag ich nicht nein. Alkohol ist ein fantastisches Kulturgut!
Ich habe so gut wie keinen Alkohol zu Hause und habe nur in sehr seltenen Momenten Alkohol alleine getrunken. Allerdings gehe ich sehr gerne alleine in eine Bar, da trinke ich dann auch. Für mich hat das Trinken immer einen sozialen und kulturellen Aspekt. Trinken um der Wirkung wegen, zumindest an erster Stelle, ist nicht mein Fall.
Das scheint bei der Generation Wodka anders zu sein. Wolfgang Büscher, Bernd Siggelkow und Markus Mockler haben ein durchaus schockierendes Buch über den Ist Zustand unser Gesellschaft geschrieben. Vielmehr über das KOMA Saufen bei Jugendlichen. Nein, wenn wir ehrlich sein wollen, bei Kindern.
Und das Buch hat mich beeindruck. Ob wohl ich, Berufs und Gesinnungsmässig solch einem Buch eher kritisch gegenüberstehen sollte.
Die Kapitel des Buches wechseln zwischen Fakten und reale Erzählungen von trinkenden Kinder. Von 10 (!) bis 17 Jährigen. Die Geschichten der "Kinder" haben mir ein wenig die Sprache verschlagen. Die Fakten ebenso. Einige Auszüge:
- "Dieses Buch ist wichtig weil mittlerweile jeder zehnte Jugendliche unter 12 Jahren Alkohol trinkt - und zwar regelmässig"
- Ein siebenjähriger Junge ist im November 2009 mit einer lebensgefährlichen Alkoholvergiftung in ein Krankenhaus geliefert worden. Passanten hatten Ihn krampfend auf einem Spielplatz gefunden. Er hat sich mit seinem zwei Jahre älteren Bruder besoffen
- Ein Junger Mensch der mit 12 Jahren regelmässig anfängt zu trinken wir nicht älter als 25 - die Organe versagen. Und das passiert regelmässig in Deutschland
- In Deutschland leben derzeit ca. 2,5 Millionen Alkoholiker
- Im Zeitraum von 2004 bis 2009 stieg die Zahl der alkoholbedingten Klinikbehandlungen von Jugendlichen um 80 Prozent an.
- Im Saufen spielen die Deutschen in der Champignons League, mit guten Aussichten hin und wieder den Weltpokal zu gewinnen
Einiges davon kommt Ihnen vielleicht bekannt vor. Einiges hat mich unangenehm überrascht. Und die Autoren schaffen etwas, was nur die wenigsten bei solchen Thematiken schaffen. Sie behalten das rechte Auge für die Zusammenhänge. Das macht das Buch lesenswert. Denn, schuld an trinkenden Kindern sind hier nicht die Gastronomen. Und das Trinken als solches wird auch nicht verteufelt.
"Positive formuliert: die Mehrzahl der Menschen kann mit Alkohol umgehen und weiß zumindest ungefähr, wo die eigenen Grenzen sind"
"Insgesamt ist der regelmässige Konsum bei Minderjährigen in den vergangenen Jahren zurückgegangen, sogar sehr deutlich, von 44 Prozent im Jahr 1979 auf 29 Prozent im Jahr 2008"
Allerdings, die Härte mit der die heute trinkenden Jugendlichen und Kinder "zuschlagen" ist unglaublich extrem (und ich hätte das so nicht eingeschätzt). Dabei, das zeigt das Buch auch, geht es nicht um sozial Schwache Schichten, oder wie es hier oft genannt wird "bildungsferne Schichten. Ganz im Gegenteil: Abiturienten führen das Ganze gelegentlich an.
Es geht darum, das dieses Koma Trinken in allen Gesellschaftsschichten zu Hause ist. Das Buch zeigt, warum Kinder trinken und wer sie "beliefert". Es zeigt ganz nachvollziehbar, das die viele Fehler von den Eltern gemacht werden. Die Spirituosen Industrie mit Alkopops und Ihrer Werbung die Zielgruppe Kind / Jugendlicher anspricht ist im Visier. Und das Kinder Ihren "Stoff" in der Regel beim Kiosk, an der Tanke und im Supermarkt beziehen - nicht in der Kneipe. Die Politik wird angesprochen, die Steuergewinne etc. Ein Blick in alle Richtungen - nur der Gastronom wird hier nicht, wie sonst so oft üblich, Generalverdächtig. Ich will unseren Berufsstand hier nicht von Verfehlungen lossprechen, aber das Buch zeigt nachvollziehbar, das das Übel wenig mit Gaststätten etc. zu tun hat.
Und das Autorenteam fordert Sofortmassnahmen ein, mit denen ich eigentlich zu großen Teilen leben kann.
- Alkoholverbot in der Öffentlichkeit
- Promille Grenze im öffentlichen Nahverkehr (wird die Taxi Lobby gerne hören)
- Kein Verkauf an Tankstellen
- Verschärfte Bedingungen im Supermarkt
- Höhere Preise für Hochprozentiges
- Risikohinweise auf Flaschenetiketten
- Einschränkung der Alkohol Werbung
- Mengen anpassen
- Striktes Alkoholverbot für Schwangere
Sicherlich, einiges ist schwierig. Risikohinweise auf Flaschen bitte nicht, bringt eh nichts. Mengen anpassen scheint mir ebenso schwierig. Und ein militantes Alkoholverbot für Schwangere finde ich ebenso fragwürdig. Ein Glas Champagner werde ich auch keiner Schwangeren vorenthalten.
Aber, das Thema wird, so oder so, in naher Zukunft stark sensibilisiert werden. Und wir müssen aufpassen und selber dafür sorge Tragen, das der Schmale Grad gekonnt gegangen wird. Daher finde ich dieses Buch lesenswert. Denn Alkohol, eine der wenig legalen Drogen, kann ein teuflisches Zeug sein. Und wir sollten aufpassen, das es nicht wieder ganz verboten wird. Das fordert einen verantwortungsvollen Umgang, gerade von uns.
Daher, und dies überrascht mich selbst, eine Leseempfehlung für ein Buch, welches sich kritisch mit Alkohol auseinander setzt.
Lieber Herr Meyer,
AntwortenLöschenschöne Ansage, die sie hier machen. Eine für mich absolut nachvollziehbare Leseempfehlung, die ich nicht diskutieren möchte, da ich sie so absolut unterschreiben kann.
Zu diskutieren wären mE diese "Sofortmaßnahmen".
Alkoholverbot in der Öffentlichkeit
Wie sie wahrscheinlich noch wissen, lebe ich im schönen Freiburg/Breisgau. Hier gab es vor kurzem über Jahre ein Teilverbot für Alkohol innerhalb bestimmter öffentlicher Räume. Ein Fiasko, das schlussendendlich - mE zum Glück - vom baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof in Mannheim gekippt wurde, mit der Begründung, dass es sich bei dem Verbot der Stadt um eine pauschale Einschränkung der Freiheitsrechte handele, die nicht tragbar sei. Ein Verbot des Alkoholkonsums in der Öffentlichkeit sei ein Verbot eines Verhaltens, das nicht grunsätzlich zur Gefahr werde - so oder so ähnlich der damalige Richtspruch.
Promille Grenze im öffentlichen Nahverkehr (wird die Taxi Lobby gerne hören)
Hört sich auch für mich gut an. Volltrunkenen haben mich schon öfters in Straßenbahnen etc genervt. Rechtlich wahrscheinlich auch eher durchzusetzen, als ein Verbot im öffentlichen Raum. Andererseits, sitzen dann sie, genau wie ich, sicherlich noch einige Male irgendwo am Straßenrand und wissen nicht wohin mit uns. Und von uns geht auch eigentlich keine Gefahr für Taxifahrer oder andere Passagiere von öffentlichen Bahnen aus.
Kein Verkauf an Tankstellen
Tragbar! Machbar! Vernünftig!
Verschärfte Bedingungen im Supermarkt
Bitte nicht noch schärfer! Haben wir hier im Südwesten schon. Wissen sie eigentlich wie nervig es ist, wenn man direkt nebenan einen Supermarkt wohnt, der bis 24 Uhr geöffnet hat, aber ab 22 Uhr keinen Alkohol mehr verkaufen darf? Gar keinen! Da muss das kurzfristig angedachte, gepflegte Bier am Abend auf dem eigenen Balkon in einer lauen Sommernacht ausfallen, weil man 2 Minuten nach 22 Uhr kein Bier mehr kaufen darf? Völlih nüchtern und auch sonst Öffentlichkeitstauglich. Und ja, es passiert mir regelmäßig. Sie sollten den Run hier auf manche Märkte um kurz vor 22 Uhr mal sehen. Lächerlich. Freiheit?
Höhere Preise für Hochprozentiges
Noch mehr Steuern? Was ist mit Wein, Bier etc? Die sind doch alle nahezu frei von Belastungen. Ich würde erstmal beim Bier und dem Wein anfangen. Aber da spielt die Politik nicht mit. Immerhin dreht es sich dann um Tausende direkte Wählerstimmen in Deutschland.
Risikohinweise auf Flaschenetiketten
Schwachsinn. Gehe da mit Ihnen völlig d'accord. Bringt nichts.
Einschränkung der Alkohol Werbung
Von mir aus... obwohl eigentlich viele gerade in den letzten Jahren die Schönheit von guten Videos im Netz usw entdeckt haben. (TrueOriginals etc..)
Mengen anpassen
Kann mir das jemand erklären?
Striktes Alkoholverbot für Schwangere
Im Gegensatz zu Ihnen, hätte ich das grundsätzlich unterschrieben. Aber ich gestehe, mich nicht medizinisch damit auseinandergesetzt zu haben.
So viel erstmal von mir.
Vorweg gesagt: Ich habe das Buch nicht gelesen. Kenne also nur den Klappentext und ein paar Infos darüber aus dem Netz.
AntwortenLöschenEine Sensibilisierung für dieses schwerwiegende Thema halte ich für sehr wichtig.
Und dass Kinder - mein späteres berufliches & professionelles Umfeld - schon in jungen bzw. jüngsten Jahren große Mengen trinken ist ein gesellschaftliches Desaster.
Was ich für schwieriger halte ist der pauschalisierende Tonfall. "Trinken, erbrechen, weitertrinken bis zum Umfallen, das ist das Motto der Generation Wodka." Hier werden alle Kinder und Jugendliche über einen Kamm geschoren. 'Seht her, das ist die Generation Wodka.' Damit tue ich mich sehr schwer, da ein Problem - das unbedingt Beachtung finden muss, das anlysiert werden muss und dem man gesamtgesellschaftlich entgegentreten muss - zum Problem einer ganzen Generation gemacht wird.
Die Autoren, Herr Siggelkow und Herr Büscher, scheinen zu solchen Verallgemeinerungen zu neigen, wenn es um Klappentexte oder Beschreibungen geht. Aus der Beschreibung ihres Buches 'Deutschlands sexuelle Tragödie - wenn Kinder nicht mehr lernen, was Liebe ist' vom Dezember 09 (kaum suggestiv, der Titel...): "Deutschlands Kinder und Jugendliche haben immer früher Sex, wissen aber oft nicht, was Liebe ist. Jetzt hat ihnen jemand zugehört: Bernd Siggelkow [...]"
Mir missfällt diese Positionierung als Retter und damit einhergehend die klare Verallgemeinerung von 'Deutschlands Kindern und Jugendlichen'. Dazu kommt, dass auf letztgenanntes Buch die Behauptung nicht haltbar ist, was aus dieser repräsentativen Studie hervorgeht: http://www.zeit.de/online/2009/29/keenies-zahlen-fakten/seite-2 .
Dies lässt mich zumindest kritisch aufhorchen und vorsichtig werden. Angewandte Methoden ändern sich oft nicht und reißerische Titel verkaufen sich eben besser…
Zurückkommend auf die „Generation Wodka“: Zahlen müssen auch immer ausgelegt werden. Wikipedia (und damit den Zahlen des Stat. Bundesamtes von 2005) folgend waren 19.400 Jugendliche zwischen 10 und 20 Jahren wegen einer Alkoholvergiftung 2005 im Krankenhaus. Dies ist ein halbes Prozent dieser Altersgruppe. Und davon waren nur 3500 Jugendliche unter 16. Dementsprechend gibt es natürlich die traurigen Einzelfälle von saufenden Siebenjährigen – doch es bleiben Einzelfälle. Daher missfällt mir der generalisierende Grundton über die „Generation“.
Wie eingangs schon gesagt – keineswegs möchte ich die Bedeutung dieses Themas schmälern und dass 10jährige nicht trinken sollten ist völlig eindeutig. Wenn das Buch eine höhere Sensibilisierung für das Thema erreicht – sehr gut. Aber mE sind die Eltern die in erster Linie gefragte Instanz. Gesetzliche Änderungen usw. können kleine Räder im großen Getriebe sein, aber ein vernünftiger Umgang mit Alkohol bei Jugendlichen und ein Aufzeigen von klaren Grenzen im sehr jungen Alter, die von Anfang an vermittelt und auch vorgelebt werden, sind nicht durhc Regelwerke oder Eingriffe von Staatsseite/Institutionen zu leisten. Die Aufklärung muss durch die Eltern entstehen. Für Jugendliche, denen ein vernünftiger Umgang mit der gesellschaftlich sehr relevanten Droge Alkohol beigebracht wurde, halte ich bspw. Werbung für Alkohol nicht für gefährdend.
Soweit erstmal,
Torben (der sich später sicher noch oft genug mit diesem Thema wird beschäftigen müssen… ;)
Der intelligenten und sensibilisierten Ausführung von Torben möchte ich mich nicht nur anschließen; Aber auch einen Schritt zwischen den oben genanten Zeilen weiter vollziehen.
AntwortenLöschenZwei Gedanken:
Neben der pauschalisierenden Wortwahl der Klapptexte sei das Layout der Titelseite zu erwähnen. Die klare Flasche, der Schrift-Typ des Titels, sowie dessen Farbe sind absolut kein Zufall.
Genussfeindliche Propaganda Gegen Sex (2009) oder Gegen Alkohol (2011) wird heutzutage aufgeklärte Erwachsenen kalt lassen. Schreiben wir also über eine Minderheit derer Kinder.
Sehr interessanter Text, danke.
AntwortenLöschenIch hab zwar das Buch ebensowenig gelesen, wie ich aus Deutschland komme. Aber ich behaupte die geschilderten Problem kann man ohne grosse Probleme auf die Schweiz übertragen.
Was mir hier aber nicht gefällt: Mittlerweile ist es wohl Mode, ein Verbot als Problemlöser schlechthin zu sehen. Wenn ein kleiner Teil der Gesellschaft sich nicht an Regeln halten kann, dann wird sofort mit der grossen Verbotskelle angerührt. Die Konsequenzen für den normalen Bürger, der dabei immer weiter in seiner Freiheit eingeschränkt wird, werden zur Nebensache, hauptsache wir zeigen, dass wir das Problem sehen und vordergründig lösen.
Ein Alkoholverbot in der Öffentlichkeit. Nein danke, ich möchte mein Bier im Stadtpark trinken dürfen, ebenso möchte ich betrunken den ÖV benutzen, solange ich niemanden belästige, ist das kein Problem und ansonsten gibt es genug Gesetze um gegen Belästigende Personen vorzugehen.
Auch das Verkaufsverbot an Tankstellen, warum?
Bars, Supermärkte etc. dürfen Alkohol verkaufen, aber Tankstellen nicht? Ist hier in der Schweiz z.t. bereits so und ich finde es nicht wirklich sinnvoll.
Das Problem bei all diesen Scheinlösungen ist, dass in meinen Augen 99.99% viel zu sehr eingeschränkt werden um einen kleinen Prozentsatz von "Troublemaker" zu bekämpfen.
Ohne Argumente zu wiederholen zu wollen füge ich mal hinzu:
AntwortenLöschenEine gute Massnahme wäre meines Erachtens ein Mindestpreis für Hochprozentiges. Nicht über eine Steuer, denn da würden die hochpreisigen Spirituosen, die schon jetzt teuer genug sind unverhältnismässig stark verteuert. Aber niemand "braucht" billigen Wodka für 5€ aus dem Aldi oder anderen Fusel in dieser Preisklasse. Wenn jede Flasche hochprozentigen Inhalts mindestens 15-20€ kosten würde, würde sie für Wirkungstrinker weit aus weniger erschwinglich. Und der Qualität würde es mit Sicherheit gut tun.
Gestern unterhielt ich mich mit einigen Leuten darüber wie leichtfertig früher der Umgang von Erwachsen mit Alkohol gegenüber Kindern war.
AntwortenLöschenFast ein jeder erzählte wie er als kleiner Steppke (noch keine 10 Jahre alt) für die Eltern mal losgeschickt wurde um Bier zu kaufen. Einfach eine Tüte in die eine Hand und einen 5er in die andere und dann ab zur nächsten Bude, Kiosk oder Laden um die Ecke. Alles völlig problemlos...
Ich habe beim sichten alter Fotos einige Bilder gefunden, wo bei grossen Geburtstagen Eltern mit der Bierflaschen fröhlich im Kinderzimmer beisammen saßen.
Ein Bekannter von uns hatte mit 12 seine erste Alkoholvergiftung und das war nach dem Schützenfest, weil er die Reste vom Festzelt leerte.
Heute wären diese Dinge größenteils undenkbar und wenn sie doch vorkommen, so liegt es ganz klar an den Eltern und keineswegs an den Kindern. Daher könnte dieses Buch auch eine generelle Geburtenreglung für verantwortungslose Eltern fordern und das wäre genauso hilfreich wie diese peinliche Schmähschrift.