Barkultur „abgespritzt“ - Von Hugo, Spritz, Sprizz und schlimmeren Entgleisungen

Als ich heute in die Bar kam, sass Herr Kappes am Tresen und schmunzelte. „Was gibt‘s da so schelmisch zu grinsen?“ fragte ich Ihn. Er drehte mir die aktuelle Ausgabe der Fizzz hin, zeigte auf eine Anzeige und sagte: „Guck mal, Wahnsinn, oder? „
Ich lass:
Die Inspiration für leichte Sommerdrinks
Der Bitter Aperitif ohne Alkohol (*NEU*)
Der Riemerschied Bar Syrup  Riemerol* bietet alle Eigenschaften eines italienischen Bitter-Aperitifs, ist dabei aber alkoholfrei!
Riemerol Sprizz
4 cl Riemerol
6 cl Sekt alkoholfrei
2 cl Soda
Die Zutaten ins Glas geben und kurz umrühen.
Deko: Orangenscheibe
Glas: Weinglas
!Unser Tipp : Auch mit Prosecco und Weisswein ein Hochgenuß!
Also, so von der Optik und dem transportierten Inhalt könnte das Duo Kappes/Meyer schwören, das die Rechtsabteilung aus dem Hause Campari/Aperol durchaus Freude an dieser Anzeige haben könnte - aber das sei denen überlassen.
Wer diesen Blog öfter liest, weiß das ich Aperol und diesen verfluchten Sprizz im letzten Jahr aus der Bar genommen habe. Übrigens einer der Top fünf Artikel dieses Blogs. Einige Tausend Leser hatte er bereits, und die „Zugriffszahlen“ zum Sommer hin, steigen an
Ich möchte dabei gar nicht missverstanden werden. Aperol ist ein brauchbares Produkt. Und es spricht nichts dagegen, einen Aperol Sprizz zu trinken bzw. zu servieren. Allerdings, alles zu seiner Zeit, alles an seinem Ort. In meiner Bar, tue ich mich mit dem rumgesprizze schwer.
Das liegt überwiegend an der „Industrie“ hinter dem Sprizz Hipe. Aperol senkt den Alkoholgehalt, in meinen Augen um das Produkt sprizzfähiger zu machen. Welch Verrat an dieser ehrwürdigen Mario Murrati Zutat! Und dutzende springen auf den fahrenden Zug. Langeweile und übers Knie gebrochene Spritzigkeit machen sich breit, die Budgets sind voll geladen, die Anzeigen, egal wie fragwürdig aus Sicht des ernstzunehmenden Trinkers, schiessen einem aus jedem Gastro/Bartender Magazin entgegen.
Oben genannte Anzeige aus dem Hause Riemersschmied springt auf den fahrenden Zug auf. Ich durchblättere die Fizzz. Und frage mich, warum wir Sie überhaupt bekommen haben? Abonniert haben wir Sie nicht und ein Frei-Abo bekommen wir meines Wissens auch nicht?
Ach ja! Die Barzone beginnt in wenigen Wochen. Diese Gastronomie Messe scheint erwachsen geworden zu sein und hat sich vom Schattendasein als Bar Convent Kopie gelöst. Raus aus Berlin, ein richtiger Schritt hinein in Deutschlands größten Gastropool, dem „Rheinland“. Barzone wird so eigenständig, geht einen eigenen Weg. Gut so.
In Kürze findet die „Zone“ in Köln statt - das wird bestimmt ein großer Spaß für‘s Bartender Ruhegebiet. Und um noch einmal richtig die Trommel zu rühren, gab es wahrscheinlich einen flächendeckenden FIZZZ Aussand. Also blättere ich durch die Fizzz und entdecke:
„Hugo blue - mit Monin Aromaperlen für den speziellen „blue Effekt“
brauch man ja so dringend wie ein Loch im Kopf - oder?
oder einen Artikel/Advertorial  mit der Überschrift:
„HUGO ITALIANO“
BeHugo ist ein trendiger Aperitif auf Basis von italienischem Schaumwein, feinem Holunderblütensaft mit frischer Minze und einem Spritzer Zitrone... Ready to Drink … stylische 0,2 Liter Aluminium Flasche mit Ring-Pull (?) Verschluss ...blablabla.
Ganz Gastro-Media Deutschland bombardiert uns Bartender mit Sprizz und Hugo Originalen bzw. Kopien rauf und runter. MBG versandte sogar vor kurzem den John‘s  Natural Elderflower Cordial an viele Bars zum Testen. Nette Geste, das Produkt leider für meinen Geschmack nicht empfehlenswert.
Die Kriegskassen der Sprizz und Hugo "Me-too‘s" scheinen in diesem Jahr unendlich gut gefüllt - da wird noch mit der einen oder anderen sinn freien Idee zu rechnen sein.
Nun denn, wir werden überleben. Und uns an die wirkliche Arbeit machen. Die Idee ist ja nicht verkehrt. Ein leichter Drink, Basis gespritzter Wein,  Aperitif, Wein, Schaumwein, Soda. Erfrischend, mit wenig Alkohol.
Soweit kann ich jedem Gast folgen. Wenn der Wunsch geäußert wird, liegt es an uns, unseren Gast zufrieden zu stellen. Nur, wie schon beim Gin, beim Tonic, beim klassischen Cocktail und bei all der Überzeugungsarbeit die wir höflich und  zuvorkommend in den letzten Jahren geleistet haben, sollten wir uns in diesem Sommer dem Sprizz widmen. Weg von den ausgetrampelten Pfaden, die die Industrie für sich entdeckt hat und die jetzt zur belanglosen Massenbestellung verkommen.
Die  Trinklaune zeigt hier eine Idee, wie man als Bartender an die Geschichte ran robbed.(gut, der Schuss Cognac macht den Drink nicht ganz so leicht)
Meine Empfehlung: Zucca ! eine Rhabarber Amaro. Und es gibt noch viel mehr zu entdecken. Wo ein Wille, da ein Weg. Verlassen wir die abgesprizten Pfade und finden für unsere Gäste geschmackvolle leichte Sommer Drinks!

Lion Labs geht an die Arbeit, ich freue mich auf Anregungen.
**
Nachtrag: Eine Dame bestellt gerade Weisswein mit einem guten Schuss Sprite. Nein, da hört der Servicegedanke bei mir auf. Tut mir leid, das möchten wir nicht servieren, und ja, wir haben Sprite.

Links:
Ich nehme Aperol aus der Bar
• Barzone - Gastro Trend and Bar Show
Barconvent Berlin
MBG - John's Cordial Mixer
• Trinklaune - Byrrh - Roussilion Cobbler
• Zucca Rhabarber Amaro

Kommentare

  1. ...der in D vertriebene Aperol liegt meines Wissens nach wie vor bei 15 % Vol - zumindest die Buddel, die ich kürzlich kaufte...

    AntwortenLöschen
  2. Hey Torben,

    ja, dass Stimmt. Ursprünglich waren es 18/19 (?) Vol %. In Europa und auch in Italien jetzt auf 11 % - in Deutschland ein Sonderweg mit 15 % Vol. Man munkelt, es liege daran das in Deutschland alkoholische Mischgetränke, die der Branntweinsteuer unterliegen, bei unter 15 % Vol. mit Pfand versehen werden ...

    AntwortenLöschen
  3. Ah, ok... Danke für die Info!

    AntwortenLöschen
  4. Herr Meyer,
    auf diesem Wege möchte ich mich nochmals herzlich bei Ihnen und dem lion Team für den schönen Abend bedanken.


    Unglaublich, was für ein trara gemacht wird, wenn Herr Meyer Facebook verlässt, Spritz aus dem Sortiment verbannt und und und!
    Ich muß sagen, Ich kann Ihre Meinung und das Resultat verstehen, ob es diese Facebook Sache ist oder diese Spritz Angelegenheit.
    Für mich ist es auch nicht nachzuvollziehen, daß Heerscharen von Frauen das selbe Produkt bestellen!?
    Ich persönlich habe aber einen anderen Weg eingeschlagen: Champus!!!
    Mit st. Germain etwas Limette und nem chicen Minzzweig kommt der Hugo royal doch gleich viel besser daher und verkauft sich, wenn man das Publikum hat, fast genau so gut!

    AntwortenLöschen
  5. Dabei ist Rotwein mit Sprite/Cola durchaus gerne gesehen in Spanien/Frankreich :)

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Beliebte Posts aus diesem Blog

BLOOM GIN - Mein persönliches Ende des 47% Wacholder Gin Absolutismus.

A discussion about woman in the bar industry

Why your Non-Alcoholic Spirit Brand will maybe fail...