Drogen dealen in der Bar. Ueber: Drogen, Gin und Tonic, falsche Bitterlimonaden, Goldberg Tonic und eine Hommage an den Gin und Soda

Bartender, so hört man oft, sind die letzten "legalen" Drogendealer. In der Regel handeln wir eine (noch) "legale" Droge: Alkohol.

Kokain, "kolumbianischer Feinstaub", ist in vielen, gerade urbanen Bars ein Thema. Leider. Ich finde Kokser ein erbärmliches Völkchen. Selbst wenn die Tender und die Bar dieses Übel nicht unterstützen, sprechen die Feinstaub Reste in den Waschräumen der einen oder anderen Bar eine eindeutige Sprache. Die Leistungsgesellschaft fordert Ihren Tribut.

Aber neben der "gewünschten" Droge Alkohol und dem von einigen Gästen konsumierten Übel Kokain dealt jede klassische Bar mit der grössten und gesundheitsschädlichsten Droge überhaupt. Seit je her. 

Die Sterblichkeitrate bei Missbrauch dieser Droge schlägt Alkohol um Längen, die Verbreitung und Abhängigkeit ebenso. Volksdroge Nr. 1. Ich selber bin abhängig. Die Rede ist vom Zucker.

Wenn ich mir den Konsum in unseren Bars anschaue und die wöchentlichen Bestellungen an Liter flüssigen Zuckers aufaddiere ist klar: Zucker Missbrauch ist  auch Gang und Gebe in unseren Lokalen. Ganz zu schweigen von all dem anderen "zuckerhaltigen" Zutaten.

Machen wir uns nichts vor. Wir Bartender erfreuen uns seit Jahren an dem gewandelten Trinkverhalten. Klassiker haben es auf die Karten geschaft - und auch in Köpfe unserer Gäste.
Wir haben viele Drinks der 80er als zu Süß verteufelt. Einige der "neuen", jetzt gerne getrunken "Klasiker" sind was Zucker angeht aber oft auch ein Wolf im Schafspelz.

Ein Grossteil dieser nun beliebten Bestellungen enthält Zucker. Selten wenig. Oft als "frisch" verkauft mittels Zugabe von Zitrussäften. Sweet & Sour ist das Mittel der Wahl, um das Ganze angenehm zu verstecken.

Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich mag solche Drinks. Liebe Sie. Gin Basil Smash lässt grüssen. Ich schätze mal ein durchschnittlicher Basil Smash, so wie jeder Sweet and Sour Drink, enthält zwischen 25 und 45 Gramm "reinen" Zucker. Zwei, drei Drinks gleich eine Tafel Schokolade. Mit Zitronenaroma. Nur um das Ganze mal zu verbildlichen.

Und Ihnen ist klar das Alkohl eine Menge Kohlenhydrate enthält... also wir reden hier nicht von den 5-6 cl ordentlichen Gin. Das ist ein weiteres Thema. Ich wollte hier jetzt nicht das Thema Kalorienzählen beim Trinken aufmachen (Ein aktuelles Foto des Autors an dieser Stelle würde hier meine Glaubwürdigkeit unterstreichen...)

Nun ist es wie mit jeder Droge. Massvoll ist das Zauberwort.

Und am Ende der Nacht ist das die eigentliche Aufgabe des Bartenders. Massvoller Konsum, bzw. dazu anzuleiten, dem masslosen auch gekonnt einhalt zu gebieten. Sei es jetzt Droge Alkohol oder Droge Zucker. Der Gast braucht gelegentlich Führung. Nicht von oben herab. Elegant, so das er es eigentlich gar nicht merkt.

Gäste bestellen neben den beliebten Sweet and Sour Drinks jetzt u.a Old Fashioneds, Moscow Mules und Unmengen von Gin and Tonic.

Das ist zu begrüssen. Allerdings reden wir bei all diesen jetzt erfolgreichen Drinks auch immer über Zucker-haltige Drinks. Old Fashioned ist Alkohol mit einen 10-20% extra Zucker Schuss. Moscow Mule, der sophisticated "Verdränger" des Vodka Red Bull, ist in erster Linie eins: Sehr viel Zucker (Im Gingerbeer).

Und auch wenn Ginger Beer vielleicht nicht ganz zu den Ur-Bitterlimonaden gehört, wird es heute doch oft zu diesen gezählt. Und damit kommen wir zur erfolgreichsten Bitterlimonade der klassischen Bar: Tonic. Und somit zum Besteller: Gin & Tonic.

Deutschland wird unbestreitbar von einer Gin & Tonic Welle überrollt. Der Gin & Tonic hatte den Ruf des klassischen Longdrinks der Bar. Wenn uns jemand noch vor 10 Jahren gesagt hätte, Gin & Tonic wird "Groß", hätten wir ihn belächelt. Dieser Drink galt nicht als Massentauglich - er war früher eher Erkennungszeichen von lichtscheuen Barflys.

Heute wird in Deutschland Gin & Tonic getrunken. In den Bars und zu Hause. Erst gab es die Vielfalt an Gin, seit einigen Jahren die Vielfalt an Tonic. Jetzt haben Beide zusammen Ihren Weg gemacht.

Dafür von mir ein Standing Ovations. Beim diesjährigen Bambi hatte ich genau 2 Nachfragen nach "Vodka Red Bull" und wir servierten mehrere hundert Hendrick's &  Tonic. Wow.

Aber ich bin mir nicht sicher, ob der grosse Erfolg des Gin & Tonic neben dem Gin Hype und dem coolness Faktor nicht schlicht und einfach einer simplen Tatsache geschuldet ist: Zucker. Läßt sich die Klasse eines Gin & Tonics mit seiner Geschichte Marketingseitig gekonnt in Szene setzen, muss jedem von uns klar sein: Heutiges Tonic hat mit der ursprünglichen Idee von Tonic Water imemr weniger gemeinsam.

Es gibt viele neue Tonic Water. Und fast alle haben (zusammen mit den "Alten" die oft mit der Zeit Ihre Rezeptur geändert haben) eines gemeinsam: Sie enthalten heute sehr viel Zucker. War Tonic früher "Chinin Water" (Bitter, und man konnte ob der medizinalen Wirkung nicht Unmengen trinken) ist es heute halt eher Limonade. Bitter ade.

Ich denke, der Gin Tonic wurde in den letzten Jahren auch wegen der modernen, süssen Limonade "Tonic" so erfolgreich. Zucker sells baby! Und ich befürchte, in der heutigen Zusammensetzung tragen nahezu alle Bitterlimonaden mit den Aufdruck "Tonic" diesen ein wenig zu Unrecht.

Mittlweile rollt die nächste "me too" Tonic Welle durchs Land. Viele neue Tonics kommen auf den Deutschen Markt. Z. B. Goldberg von MBG.

MBG ist meiner Meinung nach groß und bekannt geworden, weil man sehr erfolgreich auf bestehende Trends aufspringt und diese dann gut kopiert und perfekt vermarket. Effect (Energy Drink Kopie von Red Bull) ist ein erfolgreiches MBG Produkt. Mexikanisches Bier, Prosecco und Hugo Holunderblüten Aromen ebenso. Dieses Kopieren und Perfektionieren ist nicht zwingend Innovative, MBG aber wie ich denke damit sehr erfolgreich. 

Wenn MBG ein Goldberg Tonic auf den Markt bringt, scheint deren Marktforschung grünes Licht gegeben zu haben. Tonic wird somit Großraumdiscotheken und Massentauglich. Nischenprodukte sind nunmal nicht die Stärke von MBG. Aber Masseprodukte verstehen Sie. Nichts Falsch daran. 

Wie man in einer Goldberg Pressemitteilungen verlautbaren lässt:

"Crispy , tasty, different: Die innovative Unternehmensgruppe MBG International Premium Brands GmbH, Paderborn, stürmt mit einem neuen Player im Bittersoda-Segment die deutschen Bars: GOLDBERG & SONS. Die vier charakterstarken Sorten Bitter Lemon, Tonic Water, Ginger Ale und Intense Ginger begeistern Gastronomen, Bartender und Gäste mit purem Premium-Geschmack und intensiven Flavours. Dabei überzeugt GOLDBERG vor allem durch seine hervorragenden Fähigkeiten als Stand-alone-Bitterlimonade." (Quelle:  Pregas)

Die Fähigkeit zur "Stand Alone Bitterlimonade" (Ich liebe Marketing Abteilungen für solche Wortschöpfungen) ist für mich vor allem eins - eine süßliche Limonade. Angepasst an einen breiten  Markt. Damit Sie auch als Limonade schmeckt. Aber damit ist MBG mit seiner süßen Schöpfung GOLDBERG TONIC nicht allein. Warsteiner hat Le Roc auf den Markt gebracht und der Branchenführer Schweppes hat seine Rezeptur über Jahre zu einer Limonade "verkommen" lassen. In kürze bringt Schweppes Edellimonaden im Retro Gedanken als Extra Linie. "Altes Rezept" etc. Man darf gespannt sein. Alle die auf den fahrenden Tonic Zug aufspringenden "Me too Tonics" haben aber wie ich finde eines gemeinsam. Sind sind süße Limonaden für den Massenmarkt.

Ich selber liebe Gin & Tonic. Und ich mag auch viele der "neueren", lieblichen Tonic Limonaden die vor ein paar Jahren auf den Markt kamen. 1724, Thomas Henry oder Fever Tree z.B. .  Aber ich stelle fest, das ich mit diesem neuen Limonaden oft nur ein, zwei Gin & Tonics mag.
Ich mixe mir persönlich mittlerweile oft Gin, Tonic mit etwas Soda Wasser. Viel Gin, etwas Tonic, etwas Soda. So gefallen mir die "neuen" Gin and Tonics ebend oft besser. Gerade an Abenden wo es mehr als zwei Gin and Tonic werden.

Und ich finde immer mehr Gefallen an einen Highball (Boilerman lässt grüssen) Namens Gin & Soda. Wir bemerken im Le Lion auch vermehrt Gäste, die neben Gin & Soda auch Gin auf Eis bestellen. Pur. Perfekt! Die positiven Ausläufer der Gin Craze.

Bei all dem Gerede und Hype um Gin & Tonic sollten wir uns als "dealer" vor Augen führen, das wir eine Menge Zucker an den Mann, die Frau bringen.

Und der aktuelle Gin & Tonic und Moscow Mule Erfolg ist in meinen Augen ebend auch im hohen Zuckergehalt dieser Getränke begründet. Das denkt man bei einem Gin & Tonic auf den Blick nicht - ist aber so. Seine Historie läßt den ordentlichen Anteil Zucker nicht vermuten. Er hat sich gewandelt. Zur Limonade der "besseren" Gesellschaft (Das Volk trinkt Vodka Energy...). Der Zucker ist allerdings bei Beiden ein großer gemeinsamer Nenner.

In der Bar wurde schon immer Alkohol durch Zucker schmackhafter gemacht. Zucker ist eng mit der Geschichte der Bar und der des Cocktails verbunden. Es spricht nichts dagegen. Nur sollte man es sich auch von Zeit zu Zeit vor Augen halten. Und wer das eine oder andere Gummibärchen Wasser verteufelt, sollte einmal schauen, was er so täglich an seine Gäste ausschenkt.

Bitte: trinken Sie weiter Gin & Tonic! Aber probieren Sie mal einen Gin & Soda Highball. Oder Gin auf Eis. Stufe Drei des Gin Hypes sozusagen. Martinis brauche hier nicht mehr erwähnen, oder?

Ich finde, trotz der Vielzahl an Tonics , es ist noch Platz im High End Segment: für ein Old Skool Tonic Water. Mehr Tonikum statt Limonade. Mit sowenig Zucker wie möglich und soviel Chinin wie sinnvoll.  

Es ist noch Platz für eine echte Bitterlimonade.

Kommentare

  1. Dosis sola facit venenum. Allein die Dosis macht das Gift. Paracelsus hat dies bereits im 16. Jahrhundert erkannt.
    Werter Herr Meyer, wer bitte ernährt sich von Gin and tonic, respektive wie viele Gin and tonics trinkt man? Fällt die Menge Zucker, die man mit dem einen oder anderem Gin and tonic zu sich nimmt, Anbetracht der Zuckermengen in Fast und Convinience Food wirklich ins Gewicht? Wohl kaum!

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