Wie ein Drink entsteht: @portweindame #port15




Kennen Sie die Portweindame? Fachlich korrekt wäre @portweindame. Aber wer die Portweindame kennt, weiß das Ästhetik vor fachlicher Korrektheit einzuordnen ist. Also spare ich mir das @. Es geht um Schönheit. Nicht um Twitter oder ähnliche Banalitäten.

Die Portweindame kommt von Zeit zu Zeit in meine Bar, das Le Lion. Sie ist eine Erscheinung. Eine schöne Erscheinung. Eine Schönheit. Und dennoch fällt Sie nicht sofort auf. Sie ist nicht laut, sondern elegant. Sie sitzt oft an der Bar. Immer gut gekleidet. Eine wahre Freude.

Sie sitzt dort im Gespräch mit anderen gut gekleideten Menschen. Dezente Gespräche, minimale Gesten, Ruhe, Eleganz und Klasse. Die Portweindame lebt in Ihrer eigenen Welt. Ich mag diese Welt. Sie nennt sie "das Portweinland".

Zitat Portweindame:


Schöne Kleider, gut sitzende Anzüge, Hüte, Pelz und Cocktails – das Portwein-Land ist ein Land, im dem Stil kultiviert wird. Das ist so oberflächlich!, möchten Sie da vielleicht insistieren. Und Sie haben natürlich Recht, einerseits. Andererseits auch nicht, denn es gibt sie, die Menschen wie mich, die ein Grundbedürfnis nach Schönheit haben. In der Provinz, in der Enge, in „Das haben wir schon immer so gemacht“-Umgebungen gehen wir ein und verkümmern. Wir brauchen die schönen Cafés, große Museen in der Nähe und Clubs, in denen wir sein und tanzen können, wie wir wollen. Die Oberflächlichkeit ist also verbunden mit einem tiefen Bedürfnis.

Morgen, am 21.2.2015 hat die Portweindame geladen. Ins Portweinland. Nach Hamburg. Die Veranstaltung nennt sich "Bei Anruf Port! ... oder Maria Cron. #port15".

Auf dem eben noch banalisiertem Twitter habe ich davon gelesen. Und habe mich angemeldet. Den Hausschneider besucht. Einen neuen Anzug machen lassen. Ein Dreiteiler. Schwarz! Um sicher zu gehen. Smoking oder Frack war nicht herauszulesen. Für einen Stresemann war es deutlich zu spät am Abend angesetzt. Ein Dreiteiler wird es richten.

Den Flieger zu Lobb gebucht. Neue Schuhe waren notwendig. Auf dem Weg zurück zum Airport noch Einstecktücher bei Smith erworben. Rückflug dann über Italien. Gute Krawatten sind Mangelware. Nun war ich bereit. Bereit für einen Besuch im Portweinland.

Und dann geschah es. Die Portweindame wünschte sich einen Drink. Sie werden es nicht glauben: Mit Portwein! Und mir wurde die Ehre zuteil, einen Drink der Portweindame zu widmen.

Seit Tagen nun öffnete ich während meiner Schicht eine Flasche Six Grape Portwein nach der anderen. Und gab Anweisungen an Mario. Mix mir doch mal zwei Teile Port mit einen Teil x und einen Teil y....  Versuche gab es viele. Und es war nicht leicht.

Wir reden hier schließlich von einen Drink der der Portweindame gut zu Gesicht steht. Klasse, Eleganz, Perfektion! Und das mit Portwein. Im Le Lion haben wir lediglich eine Sorte Portwein. Roten selbstverständlich. Wir reden hier nicht von profanem Port und Tonic Getrinke oder ähnlichem -  Gott bewahre! Es geht um Portwein. Klassisch. Rot!

Grahams Six Grape ist ein fantastischer Port. Fein und elegant. Allerdings zum Mixen gar nicht so einfach. Schwerere, süßere, simplerere Tawnys und Rubies würden hier wahrscheinlich oft eher Brilleiren. Aber ich wollte keinen zweiten Port kaufen. Wo kommen wir denn da hin! Ich wollte eine Art Klassiker für die Portweindame kreieren. Und sicher stellen, das Sie in jederzeit im Le Lion bestellen kann. Mit dem feinem elegantem Six Grapes. Nicht diesem süßen Marmeladen Port aus dem Supermarkt Regal.

Und ich mixte. Mario mixte. Wir probierten aus. Ich versuchte Kombinationen mit Rye, Williams Schnaps, Cacao und anderen Kombinationen. Viele!  Einige haben sehr gefallen. Aber ich war nicht zufrieden. Es war nicht elegant genug. Nicht genug Klasse.

Heute Abend mixte ich einen Bentley Cocktail. Ein wahnsinnig guter Drink. Aus dem Savoy Cocktail Book. Kreiert für das Englische Sieger Team beim Rennen von Le Mans. In den zwanziger Jahren. Er enthält Dubonnet und Calvados. Zu gleichen Teilen oder mit einem Hauch mehr Calvados. Und plötzlich hatte ich eine Idee für meinen Portweindame Drink. Die Eleganz eines Bentleys, sozusagen mit Portwein.

Herr Kappes mixte auf Anweisung gleiche Teile Port und Calvados. Das Ergebnis war etwas zu alkoholisch, der Portwein blieb ein wenig auf der Strecke. Ruby und Tawny hätten hier gegen gehalten. Aber der feingeistige Six Grape nicht.

Herr Kappes regte die Beigabe von Peychaud Bitters  an - für jeden waschechten Hanseaten sicherlich der erste Wahl, wenn ein Bitter gefordert wird. Aber es brachte uns nicht weiter. Irgend eine Winzigkeit fehlte dem Drink. Wir versuchten viele Barlöffel von irgendwas. Und kamen nicht vom Punkt. Ich probierte die Mischung. Stundenlang. Ich änderte das Mischungsverhältnis auf 2 Teile Six Grapes zu 1 Teil Calvados. Wow - was für ein Unterschied. Jetzt ein deutlicher Portweindrink. Aber eben auch der feine Geschmack des guten Calvados. Ich wurde zum Jäger. Nach dem Dritten Aroma im Portweindame Drink. Bitter, Amaro, Likör. Alles versucht. Nichts geht wirklich. Viel auf den ersten Schluck besser, beim Zweiten dann eher doch nicht.

Und dann dachte ich: Warum eigentlich mehr? Zwei Zutaten sind Perfektion! Es ist zwar weder effekthaschend noch PR tauglich, aber der Drink hatte alles. Er ist ganz Portweindame. Zwei ehrwürdige  Zutaten, vermählt im Glas. Ohne irgend etwas was ablenkt. Nicht einmal eine Zeste oder ein Bitter. Ganz sicher kein Eiweiss. Keine hausgemachten Sirups. Und ganz sicher kein neuerzeitlicher Humbug wie die Smoking Gun -  Oh nein! Keine Showtime. Sondern ein guter Drink!

Man braucht Mut zu einem Zwei-Zutaten-Drink. Sich damit vor den geneigten Trinker zu stellen bedarf durchaus einer Portion gesunden Selbstbewußtseins.  Und je mehr ich darüber nachdachte, umso besser wurde der Drink. Und je öfter ich diese "simple" Mischung trank,  komplexe Aromen vom feinem Six Grape und ein nicht zu unterschätzender Körper vom gereiften Calvados, desto besser gefiel mir der Verzicht auf mehr.

Ich kam zum Entschluss das ein Portweindame Drink genau so und nicht anders sein muss. Zwei Zutaten. Guter Port und edler Calvados. Irgendwo zwischen Apertive und ausgewachsenem Drink. In einem kleinen Glas serviert. In einer guten Bar. Ich höre Jazz. Und sehe gut angezogene Menschen. Ich nehme einen Schluck und meinem Grundbedürfnis nach Schönheit ist genüge getan.


PORTWEINDAME
2 Teile Grahams Six Grape Portwein
1 Teil Calvados. Domaine de la Vectière, Hors d'age

zubereitet im Rührglas, serviert in einem Cocktail Coupette oder Portwein Glas.





Appendix:

Beseelt von meinen guten Drink wälzte ich alte Cocktail Klassiker. Gab es diese simple Kombination schon einmal? In der 1917er Ausgabe von Hugo Enslins Recipes for Mixed Drinks gab es etwas ähnliches. Der TINTO COCKTAIL. 1 Teil kräftiger Ruby oder Tawny Port und zwei Teile Applejack . Der Name mag eine Hommage an die Heimat von Laird's Applejack in New Jersey sein.

Kommentare

  1. Klingt überraschend schlicht. Werde ich ausprobieren. Den Tinto Cocktail habe ich mir auch direkt angeschaut. Gibts eigentlich noch irgendwo einen anderen Applejack? Und wo liegen da die genauen Qualitätsmerkmale? Habe mir bislang noch keine solche Flasche gekauft.

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  2. Nachdem ich auf unserer #Port15-Veranstaltung zunächst skeptisch ein Schluck davon nahm, bettelte ich quasi direkt im Anschluß um ein weiteres Probierglas. Ich habe mich nie groß mit Calvados beschäftigt, umso überraschter war ich von diesem Drink.

    Ja, ich gebe Ihnen recht: Ein guter Drink muß nicht zu "fancy" sein und die Reduktion aufs Wesentliche hat hier phantastisch funktioniert.

    Und wie großartig es war, daß wir somit direkt am Eingang eine Art "Probierstand" hatten.

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